«Ein wenig gruseln muss es!»

    Herwig Bitsche, Verleger und Geschäftsführer NordSüd Verlag, stellt hier das Herbst-Winterprogramm vor. Dabei geht es um die Konfrontation von Gut und Böse, um eine bunte Vielfalt an Themen, um Schweizer Autorinnen und Autoren sowie um eine zauberhafte Kinderliteratur unter dem Weihnachtsbaum.

    (Bilder: zVg) Herwig Bitsche: «Ein gelungenes Programm muss für mich eine Vielzahl an Wünschen einlösen.»

    Jetzt startet bereits das Herbst-Winterprogramm im NordSüd Verlag. Können Sie es ganz kurz vorstellen?
    Herwig Bitsche: Ein gelungenes Programm muss für mich eine Vielzahl an Wünschen einlösen: Es braucht Bekanntes und Entdeckenswertes, zeitgemässe und zeitlose Themen, Bücher, die anecken und solche, die Geborgenheit geben, welche, die leicht verkäuflich sind und solche, die Engagement erforderlich machen.

    Was sind Geheimtipps der neuen Bücher im 2. Halbjahr?
    Torben Kuhlmann ist durch seine Mäuseabenteuer schon lange kein Geheimtipp mehr. Aber in seinem jüngsten Buch «Die graue Stadt» entwickelt Torben ein ganz neues Konzept: Ein Mädchen begibt sich auf die Suche nach den verlorenen Farben in ihrer Stadt. Das entwickelt sich zu einer rasanten Detektivgeschichte mit viel Humor und spannenden Erkenntnissen – und viel Grau, das zu beseitigen ist. Und ein wirklicher Geheimtipp ist das Buch «Der Wolfspelz» von Sid Sharp. Bellwidder liebt Brombeeren aber fürchtet die Wölfe im Wald. Wie kommt er dennoch an die saftigsten Beeren? Sid Sharps Buch gibt sich nur vordergründig etwas düster. Die eigentlichen Themen sind der Wechsel von Identitäten und der Mut, den es manchmal braucht, um neue Freundschaften zu knüpfen. Man kann sich verkleiden, aber seinem Wesen entkommt man nicht. Ein Bilderbuch, das auch formal die Grenzen dieser Gattung erweitert.

    Gedanken über die Liebe: Die iranische Illustratorin Rashin hat dem persischen Dichter und Denker Rumi ein Denkmal gesetzt mit einem biografischen Bilderbuch. Er starb im Dezember vor 750 Jahren.

    Haben Sie neue (Schweizer) Autorinnen und Autoren?
    Ja, und auch diese spiegeln die Vielfalt wieder. Carla Haslbauer, eine Absolventin der Hochschule Luzern, hat ihr zweites Bilderbuch illustriert. «Es gibt keine Drachen in diesem Buch» behauptet die Ich-Erzählerin. Doch Kinder finden überall deutliche Hinweise auf Drachen in diesem Buch. Lorenz Pauli setzt Ernst Kreidolf, einem Pionier des Bilderbuchs, ein literarisches Denkmal. In «Kreidolf reloaded» reimt Pauli neue Gedichte zu 25 Illustrationen von Ernst Kreidolf. Und schliesslich auch noch Marcus Pfister, der das Thema Diversität am Beispiel einer Pinguinkolonie erklärt. Im ersten Moment sieht ein Pinguin wie jeder andere aus. Wer genau hinschaut, erkennt aber bald die Unterschiede.

    Ein wirklicher Geheimtipp ist das Buch «Der Wolfspelz» von Sid Sharp.

    Haben sich die Themen der Bilder- und Kinderbücher seit der Pandemie verändert? Unter welchem Motto steht das diesjährige Bücherjahr?
    Ich glaube, Kinderbücher und nicht zuletzt Bilderbücher haben in der Pandemie bewiesen, wie wertvoll sie für die Unterhaltung und die Entwicklung von Kindern sind. Es gibt inzwischen Studien, die sehr deutlich zeigen, dass Kinder, die in Haushalten mit Büchern aufwachsen, in der Schule bessere Leistungen erbringen.
    Unser Herbstprogramm steht ein wenig unter dem Motto: Ein bisschen gruseln muss es! Neben Wölfen und Drachen gibt es auch Hippe Hexen und zwei rührende Freundschaftsgeschichten zwischen einem Jungen und einem Gargoyle und zwischen einem Mädchen und einem Totenkopf. Wir tun den Kindern keinen Gefallen, wenn wir ihnen eine heile Welt vorgaukeln. Die Konfrontationen von Gut und Böse sind es, die uns zu kritisch urteilenden Menschen machen. Deswegen sind auch die Märchen der Brüder Grimm nach wie vor so populär. Und zwar bei den Kindern!

    Was sind die Lieblinge in der Schweiz?
    Die Lieblinge der Schweiz sind vor allem eins: unverwüstlich. Ob Pitschi, Heidi, Gian & Giachen oder Globi, was einmal etabliert ist, hat Vorrang vor allen neuen Titeln.

    Wie unterscheiden sich die Buchmärkte in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz?
    Jedes Land hat so seine nationalen Lieblinge und Eigenheiten. Kurios finde ich, wenn man hört, dass bestimmte Formate oder Stile in manchen Landstrichen oder Ländern gar nicht geschätzt werden. Auch die Stadt/Land-Unterschiede verstehe ich nicht wirklich. Im Luzerner Hinterland leben doch genauso aufgeklärte und fantasievolle Eltern und Kinder, wie in Aarau oder Zürich.

    Bald steht wieder Weihnachten vor der Türe. Wie gestalten sich die neuen Weihnachtsbücher?
    Der Schweizer Autor Thomas Meyer hat uns mit einer Weihnachtsgeschichte beglückt. Felix das Tännchen ist zwar die kleinste Tanne in der Baumschule, aber auch er bekommt einen grossen Auftritt zu Weihnachten. Eine herzige Weihnachtsgeschichte, abseits der biblischen Trampelpfade.

    Welche Bücher würden Sie besonders für unter dem Weihnachtsbaum empfehlen?
    Da wüsste ich zwei: «Grimms Märchen» von Bernadette. Sie hat im Laufe ihrer mehr als fünfzigjährigen Zusammenarbeit mit dem Verlag fast alle populären Märchen der Brüder Grimm illustriert. Diese Sammlung enthält die besten Märchen. Und der persische Dichter und Denker Rumi (1207–1273) begeistert bis heute die Menschen mit seinen Gedanken über die Liebe. Ihm hat die iranische Illustratorin Rashin ein Denkmal gesetzt mit einem biografischen Bilderbuch.

    Interview: Corinne Remund


    Über Nord Süd

    Von Nord bis Süd – der grösste Schweizer Kinderbuchverlag bringt seit 1961 Bücher zu Kindern aus aller Welt. Verleger Herwig Bitsche und sein Team haben höchste Ansprüche an die Inhalte der Bücher, die grafische Qualität und an die Ausstattung der Bücher: «Wir arbeiten mit einigen der besten Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt zusammen, um hochwertige Bilderbücher für Kinder zwischen zwei und acht Jahren zu publizieren.» NordSüd veröffentlicht rund 30 Neuerscheinungen pro Jahr und das amerikanische Imprint NorthSouth Books rund 20 Neuerscheinungen für die englischsprachigen Märkte. «Wir veröffentlichen überwiegend Originalausgaben und bieten die Lizenzrechte dafür weltweit an. Die Liebe zum Detail, ein hoher Anspruch an die Originalität der Geschichten und die Leidenschaft für ihre Vermittlung prägen unsere Arbeit», so der engagierte Verleger.

    Zu den erfolgreichsten Titeln des Verlages zählen «Der Regenbogenfisch» von Marcus Pfister und «Der Kleine Eisbär» von Hans de Beer. Zahlreiche Künstler sind mit umfangreichen Werkteilen bei NordSüd vertreten. Viele Bücher sind seit Jahrzehnten im lieferbaren Programm des Verlags. In jüngerer Zeit sind vor allem die Mäuseabenteuer von Torben Kuhlmann zu einem prägenden Teil des Programms geworden. «Wir fördern junge Talente und hatten in den letzten Jahren viele erfolgreiche Debüts. Gedruckte Bilderbücher stehen bei uns im Mittelpunkt», betont Bitsche.

    CR

    www.nord-sued.com

    Vorheriger ArtikelHooligans
    Nächster ArtikelInspirationen aufsaugen und netzwerken